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Rausch und Jagd

7. September 2013 13:41 , Leave a Comment , admin
Rausch und Jagd waren Götter, denen wir in diesen Jahren huldigten. Tage vergingen wie Stunden, Wochen wie Tage. Rauschhaft wollten wir die Welt um ihr Geheimnis bringen. Wieso auch nicht?
Natürlich gab es mitunter auch Tage stumpfsinnigster Langeweile zwischen den elysischen Stunden, die unser Leben mit Glanz und Sinn erfüllten. Matte Tage, die wir größtenteils vagabundierend in den Einkaufsstraßen, Geschäften und Cafés unserer Stadt meuchelten. Trotzdem war uns das Leben, gerade auch in solch unwilligen Stunden der Tatverweigerung, ein Geschenk. Obwohl wir plötzlich mit unserer eigenen Unzulänglichkeit konfrontiert, auf nichts als unsere eigene Person zurückgreifen konnten, war uns das Leben an sich nie langweilig. Es war die Routine, die wir flohen. Um jeden Preis, und kostete es uns unsere Ruhe, wollten wir verhindern, dass diese von unserem Alltag Besitz ergriff und unser abenteuerliches, von Vergnügung zu Vergnügen jagendes Leben zum ersticken brachte. Wir wussten mit prophetischer Gewissheit, dass  hinter jeder Ecke dieser Welt ein neues Abenteuer unser harrte. Und so duldeten wir vorübergehende Stunden des müßigen Müßiggangs mit der stoischen Ruhe von Männern, die wissen wann der Zeitpunkt gekommen sein würde, Taten zu zeitigen. Wir waren ein eingefleischtes Team. Unsere Sehnsucht nach dem Duft der Frauen war grenzenlos und darin unterschieden wir uns von anderen Vertretern unseres Geschlechts. Uns genügte es nicht mit den Frauen zu schlafen, denen wir begegneten. Wir wollten sie besitzen, sie an uns fesseln, bezaubern, uns zu ihrem Götzen aufschwingen. Obwohl wir uns nie mit Einer Einzigen zufrieden gaben, verliebten wir uns doch ausnahmslos in alle dieser wunderbaren Geschöpfe. Sie alle erinnerten uns daran, dass das menschliche Leben göttlich ist, dass es da draußen ein allmächtiges Wesen gab, das unserem Dasein einen Sinn gab. Um es auf eine Bezeichnung zu bringen: Wir waren romantisch-besessene Mystiker. Uns faszinierte das Unerklärliche, das Geheimnis. Und doch wollten wir es enthüllen, versuchten zumindest ihm mit jedem erfolgreichen Aufriss ein wenig mehr auf den Grund zu gehen. Das Paradoxe daran war: Hätte uns das Schicksal das unendliche Geheimnis enthüllt, dessen vollkommenste Verkörperung auf Erden für uns die Frau war, wir hätten den Göttern geflucht und uns mit fürchterlichem Lachen ins Unglück gestürzt.
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Wortgebäude

26. Juni 2013 19:30 , Leave a Comment , admin

Ich sitze an meinem Schreibtisch und errichte Wortgebäude. Gebäude, die auf materieller Ebene keinen Halt finden, geschweige denn in irgendeiner „Form“ zu begehen sind. Dennoch sind es Gebäude, weitläufig und bewohnt. Die  Bewohner dieser geistigen Machwerke, zahlreich und eitel, füllen die Zimmer – manche eng und klein, andere wiederum groß und geräumig – mit ihrer ungreifbaren ideellen Präsenz. Sie nennen sich Gedanken und bewohnen diese aus Buchstabenziegeln gefertigten, verschachtelt zeitlosen Behausungen erst seit Kurzem. Da viele jener ewig alternden, niemals zur Ruhe kommenden Individuen  aus verschiedenen Familien stammen und diverse Anschauungen vertreten, trotzdem aber (oder gerade deswegen) oft gezwungen sind, auf engstem Raum miteinander auszukommen, kommt es unter ihnen häufiger zu Zwistigkeiten und Auseinandersetzungen, die bisweilen in wahren Wortschlachten ihren epischen Höhepunkt erreichen. Die Opfer dieser beispiellosen Szenen sprachlicher Gewalt, die langsam verendend auf der Straße der Schlussfolgerung aufhören zu existieren, sind meistens die Edleren unter dem Gedankenvolk: die Ideale. Sie haben sich vor allen Anderen bis zuletzt eine  erhabene Würde,  eine Aura von Tugend und Wahrhaftigkeit bewahrt. Darum beneiden sie auch viele der einfältigeren, niederen Gedanken, verhöhnen sie und trachten ihnen nach dem Leben.

Ich sitze an einem Schreibtisch und errichte Wortgebäude, die den Verfolgten unter meiner geistigen Untertanen Asyl gewähren.

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Am wechselnden See

6. Juni 2013 22:56 , Leave a Comment , admin

Wenn man an einem ruhigen, schwülen Sommerabend allein oder mit Freunden am wechselnden See sitzt, dessen Spiegel man schon lange kennt – wie einen flüchtigen Bekannten, dem man jede Woche mit leichtgeschenkter Sympathie am selben Ort begegnet, obwohl man nicht sein Alter kennt, geschweige denn die äußeren Pfade seines Lebens – wenn man alles Gehen, Wehen, Werden plötzlich (ganz kurz) in diese unscheinbaren Züge schreibt, weiß man wieso nichts dauert und trotzdem alles ewig ist. Man liebt dann viel stärker, weil Fühlen und Erkennen zusammenstürzen, wie große Tempel längst vergang’ner Völker, die eines Nachts vom leichten Wehen einer Brise erschüttert werden und zu Staub verdonnern. An solchen Tagen, wo die Dinge seltsam hell erscheinen, liebt man das Wasser, weil es niemals ruhig ist, den Wind, weil er die Stirne kühlt, die Düfte mancher später Sommermagnolie, weil ihre Süße entzückt – ganz ohne Forderungen an den Geist zu stellen, oder die Stille.

Wenn man dann sein Bewusstsein öffnet und in der warmen Luft baumeln lässt, seine Pflichten gegenüber der Welt, vom eisig brandenden Campari begleitet, dankbar als Spiel begreift; wenn man sich auf einmal all’ der Schönheit besinnt, die sich zwischen der matt ausbreitenden Wirkung des Alkohols, dem von fern und nah klingenden Gesprächen, dem unschuldigen Weiß des Tischchens, an dem man sitzt, ausbreitet wie ein Lied aus hundert Stimmen – wenn man sich so treiben lässt und die Gedanken weit aufs Wasser gleiten, und noch weiter, über die dämmernden Berge, ins Land, das man liebt, wo wild die Sehnsucht dunkel blüht und Mädchen lachend Küsse schenken, dann hält man eigentlich schon den Schlüssel in der Hand, den Epikur im Garten fand.

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Zigarren und der Tod der Muße

4. Mai 2013 20:41 , Leave a Comment , admin

Setzt man sich raus ins Cafe, an einem der wenigen frühsommerlichen Abende dieses lauwindig- umwölkten Mais, begegnet man immer öfter einer in Nikotinanbeterkreisen bis vor kurzem als nahezu ausgestorben betrachteten Spezies: Dem Zigarrenraucher. Als gäbe es keinerlei Verpflichtungen jenseits des bläulichen Nebels, der seinen Erzeuger in einem solch unbeschwerten Moment mystisch umflort, hält der Unbekannte seine Zigarre  voll ruhiger Begeisterung. Sein Blick, seltsam frei von den Mühen des Tages, schweift über die Tische und Gläser anderer Gäste und kehrt immer wieder zum Nebel der Kubanischen zurück. Fast als sei dieser Nebel, den er mit  kontemplativer Langsamkeit gen Himmel entsteigen lässt, in seiner Körperlichkeit  die  wahre Rechtfertigung für diesen schönen Abend, und nicht umgekehrt. Irgendetwas muss dieses handgerollte Stück Zeit seiner schlanken weißen Schwester voraus haben, denke ich, und bitte um Feuer.

Ein Gleiches: So schön es ist, dass wir seit knapp 6 Jahren in Restaurants, Cafes und Bars wieder frei durchatmen können, so traurig kann man doch darüber sein, dass damit eine weitere Schaufel Erde für das Grab unserer alten europäischen Muse, der Muße, ausgehoben wird. Die werden wir alle bald auf dem rauchfreien Friedhof gesunden und genussfreien Älterwerdens zu Grabe tragen. Wenn dieser Tag kommt – und bei all den herum-dynamisierenden  Arbeits- und Alltagsoptimierern, die ihr Leben  im Viertelstundentakt planen, ist er wohl nicht mehr weit – wird der letzte Zigarrenraucher dieses Planeten hoffentlich die Laudatio halten.  Ein letztes Mal wird er, genießend und lächelnd, an seiner Kubanischen ziehen.  Er wird sich Zeit lassen. Und ihren schweren Rauch dann nochmal all denjenigen ins Gesicht blasen, die schon wieder auf die Uhr geschaut haben, um vor dem Abendessen noch rechtzeitig zum Joggen zu kommen.

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Das magische Theater

28. April 2013 14:46 , Leave a Comment , admin
Das magische Theater ist nichts anderes als die weite Pforte, die du schnellen Schrittes durchschreiten musst, um in die Katakomben deiner Seele zu gelangen. Die Gestalten und Szenen, die dir im Atrium des Theaters – weitläufig und schwer zugänglich – begegnen werden, sind allesamt Elemente deines Willens, die dir in deinem wirklichen Leben begegnen könnten, ja vielleicht werden, oder aber, und das ist wahrscheinlicher, unbemerkt und ungelebt erlöschen werden, wie nächtliche Schatten, die die Sonne im Aufgehen zerhellt. 
Teils sind es Persönlichkeiten deiner selbst, die lange unter deinem Alltagscharakter verborgen, zu großem Leben erstarrt sind. Charaktere werden darunter sein, die du vielleicht geflohen hast, weil sie dir in ihrer Fremdheit nur allzu vertraut erschienen, teils Gestalten, die schon immer in deinen Taten gelebt und in deinen Träumen geträumt haben, ohne dass es dir bisher bewusst gewesen war. Da das magische Theater nur für dich bestimmt ist und es tausende, ja unzählige dieser geheimen Spektakularien gibt, wirst du furchtbar allein sein in seiner Mitte. Nur auf dich allein gestellt, deiner Sehnsucht wie nie in deinem Leben ausgeliefert, wirst du ein Terrain durchmessen, das keine Karten kennt und keine Fläche, einen Ort ohne Ortung, an dem nächtliche Schatten und singende Quellen derselben Sonne dienen. Ja, wunderliche Dinge werden dir fragend auf deinem Weg entgegentreten: Erwünschtes, Verwünschtes, Verlorengeglaubtes, Erhofftes, Erhabenes…Keineswegs wird es einfach sein über die schmalen und harten Gänge, durch die weiten und lichten Räume des Theaters zu wandeln und die bunten Türen zu betrachten, deren Inschriften manchmal verlockend, oftmals aber erschreckend lodern werden – wie das sengende Rot von Sonnenuntergängen über uralten Dünen, wenn nur die Einsamkeit ihre Strahlen streift. Wenn die Furcht endlich größer wird als die Versuchung, tritt rasch und ohne weiter zu zaudern ein, in den Raum, der dir am nächsten ist.
Wenn du es endlich geschafft hast, ohne am Ende den Verstand verloren zu haben, nach vielen Türen, manchen Verirrungen, hunderten Reisen und zahllosen Bekanntschaften, mit geläutertem Herzen und offenen Augen den rotsamtenen Vorhang deiner Seelenbühne beiseite zu schieben, erkennst du, dass das Podium leer ist. Nur ganz hinten, dort, wo der Schein der Bühnenlampen tiefe Schatten wirft, wirst du auf einem einsamen Platz eine Gestalt ausmachen können. Du staunst, denn als Zuschauer deines eigenen Stücks erkennst du dich selbst. Noch bevor sich die rote Schwere des Vorhangs für immer geschlossen hat, unmerklich, fast ohne dein Zutun, ist dir, als ob auch dein einköpfiges Publikum dich erkannt hat. Du lächelst.
 
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Anfang und Ende

23. April 2013 14:02 , 3 Comments , admin

Umringt von tobenden, wogenden Menschen, stehst du, ein Einzelner, am letzten Tag des Jahres, kurz nach zwölf, auf einem weiten Platz in unbekannter Stadt, die heimisch wirkt, weil sie durchs Freudenfeuer geht an diesem Abend, an dem du losgelöst von allem Werden mit Freunden lachst und trinkst und jubelst auch, weil ihr ins neue Jahr euch feiern werdet, wie jedes Jahr, an dem Dinge gelernt, Frauen gewonnen, Weine geleert, Witze gemacht und fremde Städte besucht wurden. Du freust dich, weil du Wörter geschrieben hast, die dir richtig vorkamen, weil du Momente erlebt hast, die dir reich und selten schienen, wie schwarze Perlen, die man, zu kostbar um sie zu verlieren, in einen weiten Safe einschließt, von dem man irgendwann, zwischen zwei Jahren, den Code vergisst, sodass der kleine Augenblick in Finsternis sein Dasein fristet, von keinem Licht bewegt und keiner Träne laut gemacht, bis dass ein Enkel dir in jüngster Zeit den Schlüssel weist.

Ja, du wirst älter, erkennst bald die Versäumnisse deiner Tage, lächelst eifrig, wenn man Gottes Lob anstimmt, an Weihnachten und bei den Taufen deiner Kinder; setzt dich zum Frühstück an den harten Tisch, der deiner Frau so lieb war, als sie ihn gekauft und jetzt nur noch die Unterlage deines ruhigen Alltags bildet, durch nichts erschüttert als den Tassen und dem Klang der Teller. Du siehst die Frau, die du doch einst geliebt und in den Träumen über Klippen trugst: Ein fremdes Wesen, das du nicht mehr kennst, von dem du nicht mehr weißt, ob du es kanntest. Du steigst ins Auto, fährst zu deiner Arbeit, die du nicht hasst, noch achtest, sie ist so anders ja als du es ahntest, an diesem menschenumringten trunkenen Dezemberabend, als du noch frei und laut die Sterne zähltest, so ganz im Ernst, wie einer, der Kinder zählt, die ihm gehören.

Posted in: Augenblicke und Perspektiven , Tagged: Alltag, Anfang, Ende, Feiern, Freude, Jahr, Silvester, Stadt, Werden

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