Setzt man sich raus ins Cafe, an einem der wenigen frühsommerlichen Abende dieses lauwindig- umwölkten Mais, begegnet man immer öfter einer in Nikotinanbeterkreisen bis vor kurzem als nahezu ausgestorben betrachteten Spezies: Dem Zigarrenraucher. Als gäbe es keinerlei Verpflichtungen jenseits des bläulichen Nebels, der seinen Erzeuger in einem solch unbeschwerten Moment mystisch umflort, hält der Unbekannte seine Zigarre voll ruhiger Begeisterung. Sein Blick, seltsam frei von den Mühen des Tages, schweift über die Tische und Gläser anderer Gäste und kehrt immer wieder zum Nebel der Kubanischen zurück. Fast als sei dieser Nebel, den er mit kontemplativer Langsamkeit gen Himmel entsteigen lässt, in seiner Körperlichkeit die wahre Rechtfertigung für diesen schönen Abend, und nicht umgekehrt. Irgendetwas muss dieses handgerollte Stück Zeit seiner schlanken weißen Schwester voraus haben, denke ich, und bitte um Feuer.
Ein Gleiches: So schön es ist, dass wir seit knapp 6 Jahren in Restaurants, Cafes und Bars wieder frei durchatmen können, so traurig kann man doch darüber sein, dass damit eine weitere Schaufel Erde für das Grab unserer alten europäischen Muse, der Muße, ausgehoben wird. Die werden wir alle bald auf dem rauchfreien Friedhof gesunden und genussfreien Älterwerdens zu Grabe tragen. Wenn dieser Tag kommt – und bei all den herum-dynamisierenden Arbeits- und Alltagsoptimierern, die ihr Leben im Viertelstundentakt planen, ist er wohl nicht mehr weit – wird der letzte Zigarrenraucher dieses Planeten hoffentlich die Laudatio halten. Ein letztes Mal wird er, genießend und lächelnd, an seiner Kubanischen ziehen. Er wird sich Zeit lassen. Und ihren schweren Rauch dann nochmal all denjenigen ins Gesicht blasen, die schon wieder auf die Uhr geschaut haben, um vor dem Abendessen noch rechtzeitig zum Joggen zu kommen.
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