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Destination Budapest

11. Februar 2014 14:39 , 1 Comment , admin

Dienstag, 4. Februar 2014, Wien

Seit vier Monaten bin ich jetzt in Wien.  Das erste Semester meines Masters ist rum und ich freue mich auf vier Wochen Semesterferien, gute Tage des leichten Lebens, an denen man sich ein Buch mit ins Bett nimmt, wenn es regnet, oder ein lustiges Mädel, wenn die Sonne scheint. Vom Nachtleben wollte ich mal wieder trinken, Blätter in Tinte tauchen, kurzum mich meiner längsten und treuesten Freundin, der Muße einmal wieder ausgiebig widmen und all den tollen Kleinigkeiten, die dieses raffinierte Weib einem zu bieten weiß, wenn man sie nur auf die richtige Weise zu nehmen versteht.

Mit einer schnellen Bewegung werfe ich mir den blauen Mantel mit dem Fellkragen über, kontrolliere kurz, ob ich Schlüssel, I-Phone und Kreditkartenetui mitgenommen habe und bin auch schon zur Tür hinaus, im Aufzug, der mich drei Stockwerke tiefer ins Erdgeschoss fährt. Nachdem ich kurz in den Briefkasten geschaut habe – ich stecke mir vier, fünf Briefe inkl. einer Postkarte mit einem schwarz-weißen Burggraben nachlässig in die Reisetasche – verlasse ich das Haus und nehme die U-Bahn vom Schottenring zum Wiener Westbahnhof.  Ich steige die Rolltreppen hoch in die Bahnhofshalle, die abgrundtief hässlich ist, 50er Jahre Verbrechen wie der Hauptbahnhof in München, denke ich. Ich steige sie hoch, weil ich es immer extrem unangenehm finde hinter jemand zu stehen und kleiner zu sein. Und das ist ja beim Fahren auf Rolltreppen, der nutzlosesten Erfindung seit es Aufzüge gibt, zwangsläufig fast immer der Fall. Ich drängele mich also mit meiner vollgepackten Tasche als Warnschild vor der Brust an all den 0815-Jacken und -Gesichtern vorbei, denen der Stress wie auf die konventionsgedrückten Stirnen gepappt scheint und suche den nächsten Schalter. Mein Zug nach Budapest geht in knapp zwanzig Minuten und ich muss mich beeilen. Nach einem sinnlosen Schlenker an einem Imbiss vorbei, der fettige aber nicht übel riechende Grillwürstchen mit Senf, Ketchup und Semmeln ohne Mohn anbietet, finde ich das Reisezentrum der ÖBB. Die grellrote Farbe sticht mir unangenehm in die Augen. Natürlich schlängelt sich eine lange Schlange durch den Raum, eingepfercht zwischen zwei schwarzen, parallel laufenden Bändern, wie man sie sonst nur vorm Check-In am Flughafen sieht. Ich hasse es zu warten, sehe aber gerade keine Möglichkeit mich vorzudrängeln, was meine gute Reiselaune gleich um einige Nuancen nach unten dämpft. Die Brünette vor mir mit dem kleinen schwarzen Marc Jakobs Täschchen, der Modelfigur und dem strengen Vorstandsassistentinnen-Dutt, wirft mir über die Schulter einen kurzen Blick zu, nicht unkokett wie mir scheint, schlägt ihre Smokey-Eyes nieder, lächelt halb versteckt, als sie merkt, dass ich ihren Blick sehr wohl mitbekommen habe. Das motiviert mich wieder. Und so lang scheint die Schlange ja doch nicht zu sein. 10 Minuten vielleicht noch, dann bin ich dran. Wie verkrampft die meisten Leute immer sind, wenn sie auf irgendetwas warten müssen. Mir geht das manchmal auch so, aber nur für ein paar Minuten, dann nimmt bei mir meistens die Neugierde überhand. Erstaunlich doch, was für Gestalten man in diesen vermeintlich auf Effektivität getrimmten Abfertigungshalden begegnet. Die Gewöhnlichkeit ist salonfähig geworden. Ortega hatte recht, als er schon 1930 in Der Aufstand der Massen klar erkannte, welche gesellschaftliche Umwälzung das 20. Jahrhundert vor allem bestimmen sollte: „Charakteristisch für den gegenwärtigen Augenblick“ schrieb er, „ist es jedoch, dass die gewöhnliche Seele sich über ihre Gewöhnlichkeit klar ist, aber die Unverfrorenheit besitzt, für das Recht der Gewöhnlichkeit einzutreten und es überall einzusetzen.“ Das ist heute noch mehr der Fall als damals, denke ich mir, während ich einen kleinen Jungen dabei beobachte, wie er seine genervte und sichtlich mit der Gesamtsituation überforderte Mutter ständig am Ärmel ihres beigen Parkers zupft. Oh man.

Um mir das Warten zu verkürzen, greife ich in die rechte Außentasche meiner Winterjacke. Die weißen I-phone Kopfhörer sind natürlich wieder nicht da. Nachdem ich in drei verschiedenen Taschen alles mögliche herausgewühlt habe, darunter meine schwarzen Lederhandschuhe, eine halb fertig gerauchte Packung Cohiba-Zigarillos, einen völlig zerknautschten Fünf-Euro-Schein und noch allerlei unnütze Dinge – alte Partyflyer, eine Serviette vom Cafe Jelinek mit einer Nummer von einem Mädel, das ich niemals angerufen habe, aus reiner Unlust wahrscheinlich, nicht weil sie mir nicht doch ein wenig gefallen hat – nach all dem Gewühls, das mich tierisch aufregt, finde ich  also diese verdammten weißen Kopfhörer endlich völlig verdreht in der linken oberen Innentasche. Das Entwirren von Kopfhörern hat immer was von Zen-Buddhismus. Das Hören ist hier das augenscheinliche Ziel, doch wer meint, er könne diese kleinen Biester heute einmal schneller als sonst aus ihrer unfreiwilligen Verflechtung befreien, der irrt gewaltig. Ohne Muße und einem leicht ausgeprägten Hang zur Selbstkasteiung gelingt die Entwirrung nie. Die Tatsache, dass ich mir beim Auseinanderdröseln dieser Dinger, die jedem Deppen im öffentlichen Raum mittlerweile unentbehrlich geworden sind, solch einen pseudointellektuellen Schwachsinn ausdenke, zeigt klar, dass ich einfach schon zuviel Zeit mit dem Entwirren von letztlich unnötigen und ungemein nervtötenden Verkabelungen verbracht habe.

Nachdem die Meditation zu Ende ist, starte ich eine meiner Tango-Playlists und höre „Sin Palabras“ von Anibal Troilo und seinem Tango-Orchester. Eine herrlich verknisterte Aufnahme aus den späten Dreißigern. Während ich dem Lauf der alten Bandoneons lausche, die so garnicht zum primitivistischen Ambiente des Reisezentrums passen und mich deswegen ungemein erheitern, sodass ich fast lachen muss, hat sich bereits einiges vor mir gelichtet und ich bin dran. Ich hole mir die Fahrkarte, die dank VorteilsCard erstaunlich billig ist, verlasse die Wartehalle mit einem motivierenden Lächeln nach links und rechts, an  alle anderen Arschgeigen, die noch den Zettel mit der dreistelligen Nummer in der Hand haben, kaufe mir noch ein Sandwich bei dem Stand mit den fettigen Würstchen und stehe auch schon, nachdem ich noch einen kurzen Kontrollblick auf die große blaue Tafel mit den Abfahrten werfe, vor meinem Gleis, in das gerade ein roter RailJet, Destination BUDAPEST, einfährt.

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Die Verabredung

3. Februar 2014 20:12 , 3 Comments , admin

Rotbraunes Welken lag in der Luft. Die Blätter fielen schon. Eines machte wie immer den Anfang. Sanft, vom aufkommenden Wind zur Erde gedrängt, folgten ihm einige nach, taumelten in kleinen, unschuldigen Kreisen auf den gepflasterten Platz, der ein Cafe’ einschloss. Manchen der luftigen Tänzern versprach der jugendliche Herbst eine längere Reise und übergab sie den Wassern des Flusses, der sie wie kleine Boote hinaus auf den blauer werdenden See trieb. Die Gruppe runder, mit frischweißen Tüchern bedeckter Tische in der Mitte des Platzes umrahmten Ahorn und Linde, als seien sie Wächter gestohlener Träume.

Hier hatte sich der Dichter mit einem Mädchen verabredet. Er war ihr, wie es so kam, bei einem seiner morgendlichen Spaziergänge durch die Stadt vor einem Schaufenster für Antiquitäten begegnet. Das Schaufenster gehörte zu einem Geschäft, bei dem er selbst oft gern verweilte. Es bereitete ihm ein kindliches Vergnügen, die kleinen und großen, zierlichen und wuchtigen Gegenstände in der Auslage zu betrachten, die früheren Zeiten einmal Leben geschenkt hatten. Er hatte dann immer das Gefühl, dass er an der Vergangenheit dieser Dinge – und sei es auch nur hier und jetzt – ein klein wenig teilnehmen konnte. Das unumstößliche Nacheinander der Zeit schien ihm in manchen solcher Augenblicke kleine Brüche zu bekommen. Alle diese Dinge lebten ja fort, und trugen die Seelen ihrer Vorbesitzer in die Räume, die sie mit ihrer Vergangenheit schmückten. Durch Grammophone, eichenhölzerne Sekretäre und vergilbte Bücher ließ sich der Lauf der Welt nicht verändern – der Ewigkeit schienen sie aber zumindest für einen Lidschlag Einhalt bieten zu können. Das freute ihn.

Lange hatte sie in ruhiger Haltung, ein wenig verträumt und verloren, einen lebensgroßen, in Silber gefassten Spiegel betrachtet. Nach dem er das Mädchen eine Weile aus einiger Entfernung betrachtet hatte – Sie hatte so etwas an sich gehabt – hatte er sich einen Ruck gegeben, war hinzugetreten und hatte sie wie beiläufig gefragt, was sie denn so an dem Spiegel fasziniere, dass sie schon minutenlang wie gebannt in sein milchig-blindes Glas schaue. Gar nicht erstaunt, hatte sie ihm mit einem schwer zu deutenden Lächeln, das den sinnlichen Mund und die dunklen Augen ganz bezaubernd mit kleinen, klugen Fältchen umstellte, erklärt, dass sie das unbestimmte Gefühl habe, sich in dem alten Spiegel viel besser zu erkennen als in einem gewöhnlichen, gerade vielleicht weil sie sich in ihm nicht wirklich sehen könne. „Du bist aber eitel.“, hatte er amüsiert geantwortet und seine Augen dabei gespielt von oben herab in die ihren gesenkt. Sie hatten beide gelacht und noch eine ganze Weile über den Mut zur Eitelkeit, die Vergänglichkeit des Sichtbaren und die Ewigkeit des Augenblicks gescherzt. Bevor sie sich trennten, hatten sie sich für den kommenden Abend in besagtem Cafe’ auf ein Glas Wein verabredet.

Es war 19 Uhr. Wie ein zudringlicher Freund aus alten Tagen erinnerte ihn der Kirchturm in der Nähe daran, dass das alte Spiel um Anziehung und Verführung sogleich wieder seinen Lauf nehmen würde. Und wie immer, wenn er einer neuen Eroberung mit dem Selbstbewusstsein eines von der Welt und den Frauen verwöhnten Menschen entgegensah, machte sein Herz einen kleinen Hüpfer und geballte Lebenslust durchströmte seine Glieder. Das Mädchen, sie mochte wohl fünfundzwanzig gewesen sein, hatte ihm gefallen. In ihrer Schönheit – von ihrem schwebend-tänzelnden Gang über die weißen, vollen Brüste und feinen Arme bis hin zur schwarzen Tiefe ihrer Augen – war etwas überaus Flüchtiges gewesen, das ihn seltsam anrührte.

„Guten Abend.“ – Ihre Stimme riss ihn sanft aus seinen Gedanken. Er blickte auf und sah wieder das rätselhafte Lächeln, das ihn schon am Vortag vor dem Schaufenster in ungewohnten innerlichen Aufruhr gebracht hatte. Ein selbstbewusstes Lächeln voller Lebensfreude und kecker, anmutiger Melancholie. Dieses Lächeln war einladend und herausfordernd zugleich. Es lag viel Gelebtes in ihm. „Guten Abend, schöne Unbekannte.“, erwiderte er mit gespielter Nonchalance. Ihr Erscheinen hatte ihm plötzlich, ohne dass er genau wusste wieso, die Fassung geraubt. Nur mit einiger Mühe gelang es ihm, ihrem Blick standzuhalten, einem Blick, in den er sich in dieser Sekunde gerne rücksichtslos, mit Leib und Leben gestürzt hätte, ohne sich noch einmal umzublicken…

Posted in: Erzählungen , Tagged: Mädchen Verführung Vergangenheit Spiegel

Ein Wort

22. Januar 2014 19:14 , Leave a Comment , admin

Ein Wort, ein Satz,
ein Bild, ein Schweifen,
ein Schattentanz,
ein Traum, ein Licht
und alles strebt im Flug der Bilder
zu Gründen, die das Wort gebricht.
 
Ein Wort, ein Satz
aus Tiefen steigen,
erkannter Wille, dunkler Sinn –
und lauter tobt der Sturm der Bilder
um  Lachen, Leben, Liebe hin.
 

Nach Gottfried Benns „Ein Wort“

Posted in: Buch der Sinne

Blickdämmerung

21. Januar 2014 00:31 , Leave a Comment , admin

Manche Blicke sind wie Dämmerstrahlen,
die durch matte Fenster gehn:
Wie Wolken, die zerrissen ziehn,
fesseln sie dich an Tagen,
die fast erstohlen scheinen –
so unendlich wirklich liegen sie
in deinem Gesicht.

Und manchmal trifft dein Blick,
fast achtlos in den Raum geworfen,
auf einen zweiten,
der ihn spiegelnd fängt –
ihn hinhebt über
Schritte, laute Stimmen,
Unwägbarkeiten
und dunkle Losungen
im Schattendasein
deiner Sinne –
ihn hält
und ihn
dir wiedergibt
in einem Lächeln,
ganz unverhofft,
wie eine Sonne,
die durch Nebel bricht
am Abgrund klippenreicher Tage.

Posted in: Buch der Sinne

Und vor der Sonne steht ein Baum

8. Dezember 2013 19:28 , Leave a Comment , admin

Und vor der Sonne steht ein Baum
in roter Glut
drüber die Wolken schneller ziehn,
voll junger Kraft: geballte, ferngelenkte Harmonie.

Und ich erkenne ihren Lauf
und will ihnen entgegen gehn
wie einem Freund
mit heitrer, groß empfund’ner Energie.

Aber dort drüben steht der Baum
in roter Glut,
fängt mächtig alles Streben ein,
mit seinen Ästen, schattenschwer,
steht wie ein Herrscher
in dem weiten Land,
bedeutet mir: Bleib hier.

Posted in: Buch der Sinne

Noch einmal zu den Dingen, die wir liebten

6. Dezember 2013 13:44 , 2 Comments , admin

Noch einmal zu den Dingen,
die wir liebten
im Schatten und im letzten Sommerschein
wildblühender Gärten.

Vertrunkene Pfade, die wir damals gingen
hinauf zu musikumwogten Himmeln
in denen nur noch Blicke zählten
voll tastender Stille.

Dort hebten sich unsre jagenden Herzen
hinfort, weit über uns, in Duft und Wärme,
ganz wie zwei Dämmerwolken
über rote Täler
und fühlten stärker jedes Wort,
das wir nicht sprachen
und ahnten zukunftsvoll den Kuss,
den wir nicht tauschten,
mondenversunken und traumverwandt
wie wir damals waren.

Ein Lächeln glühte auf in dieser Stille
und griff hinein in meinen dunklen Blick,
der deinen nahm
und ihn auf seine Insel brachte,
weit ab von hier,
zu Dingen, die er liebte.

Für M.

Posted in: Venusverse

Atrium des Staunens

4. November 2013 19:12 , Leave a Comment , admin

So begab ich mich denn in die tiefsten und unergründetsten Winkel meiner Selbst, an einen Ort, wo Schatten rauschende Feste feierten und Engel goldenes Blut aus hohlen Händen tranken, einen Ort, an dem Ritter ohne Rüstungen stolze Mädchen über Flüsse aus Tränen trugen. Eine Oase der Stille, ein Tal unendlicher Harmonie und Weite umgab mich, ließ meine eigene Person schmelzend zu einem ruhelosen Punkt inmitten eines Meeres voller Wörter werden. Blanke Stufen führten wendeltreppenartig nach unten. Berge verwirklichter Sehnsüchte und Schluchten ungelebter Träume taten sich vor meinen dürstenden Blicken auf. Wüsten asketischer Enthaltsamkeit bedrängt von wolkenzerfetzten Himmeln sinnlicher Wonne flogen an mir vorüber. Kaleidoskopartig verlief mein Abstieg. Tief, ja tiefer als tief, zum Urgestein, in die Katakomben ewigen Schweigens war ich gelangt. Durch ein mächtiges Tor, das sich an seinem oberen Ende in der Unendlichkeit verlor, betrat ich das Atrium meines Staunens. Ein von gleißendem Licht umfluteter Raum, dessen diamantene Strahlen mich augenblicklich erblinden ließen, erstreckte sich in ungeahnte Höhen. In der Mitte allen Glanzes, auf einem Thron aus reinstem Kristall saß ein weißes Männlein in einen weiten, schwarzsamtenen Mantel gehüllt. Mit einem Blick, aus dem mir tausend Sterne funkelnd zuzulächeln schienen und einer Stimme so hell und klar wie ein blassblauer Bergbach, sprach es: „Fürchte dich nicht. Denn du bist es selbst, den du hier sitzen siehst.“ – Da wusste ich, dass Alles verloren war.

Posted in: Parabeln

Schein und Licht

3. November 2013 00:19 , Leave a Comment , admin
Dunkle Lieder weben heute
warmes Licht in meine Brust
und es scheint als dämmern morgen
Stunden nie gekannter Lust.
Tage auch, ja Jahre sind es,
die wir bloß zum Schein verbringen,
um gleich einem jungen Sterne,
eines Nachts und wie von Ferne
eignes Licht im Schein zu finden.
Posted in: Hymnen an die Nacht

Steppenwolf-Abende

26. Oktober 2013 19:00 , Leave a Comment , admin

Oft, an Abenden, die im Nachhinein immer kurz und schnell vergangen scheinen, tunke ich meinen übereifrigen Kopf, der alles will und für nichts Geduld hat, in Bücherrücken, die mir stumm die Antwort verweigern auf die Frage, wie ich meine Tage füllen soll, wieso ich Nächte todtrinke, Worte gegen Menschen und Verse gegen den Stundenzeiger der alten Schreibtischuhr schleudere. Wieso rauche ich Zigarren? Wieso lege ich Wert auf Stil, gute Kleidung, geschliffene Worte, alten Rum und Steppenwolf-Romane? Wieso fühle mich unvergleichlich wohler, wenn ich im Begriff bin eine hübsche Frau mit meinen Träumen zu beeindrucken, dabei ein Feuerwerk der Bildung und Kultur zu verbrennen, sie in meine funkelnde Welt der im Verborgenen vor sich hindämmernden Metaphern einzulassen und ihr dort ein heißes Lager zu bereiten? Wieso treibt mich der Wunsch nach Bestätigung dazu, Bekanntschaften nicht im Sand der Zeit verwehen zu lassen? Wieso suche ich ständig das Gespräch, den Tango, die Feste auf, um taumelnd und lachend mich im Rausch zu ergehen? Ist es die alte Suche nach Inspiration, die mich Leben lässt wie Klingsor, der neun Leben hat?

Wie schön wäre es doch einmal zur Ruhe zu kommen und in der himmlisch-ungepeitschten Harmonie eines klaren Tagesablaufs gefangen zu sein. Acht Stunden zu arbeiten, zu essen, sich dann bei einem hellen Bier einen heiter-vergnüglichen Feelgood-Film anzuschauen, und danach, am Abend, müde und nichtsdenkend ins Bett zu fallen, zufrieden mit seinem ehrlich geleisteten Beitrag zu dem Null-acht-fünfzehn-leben der anderen. Und das immerfort, Tag um Tag, Nacht um Nacht, nur unterbrochen von Geburtstagen alteingesessener Bekannter, die nichts mit einem gemein haben, die man aber trotzdem trifft, weil das ja alle so machen, weil man eine Freizeit haben muss, und nur derjenige zivilisiert ist, der sich um sein Privatleben sorgt, indem er Spaß hat, Sport treibt, Verantwortung übernimmt oder sich auf sonst eine völlig harmlose Weise erbaut.

Schicksal wäre hier nur ein Traum, Liebe Teil der literarischen Welt und ich wäre 20.000 Euro wert, zumindest für meine Versicherung, die meinen Tod schon verteufelt genau berechnet hat.

Ich entscheide mich, doch meine Zigarre anzuzünden.

Posted in: Uneigentliches Tagebuch

Verwilderter Abend

22. Oktober 2013 18:35 , Leave a Comment , admin

Viele Schritte branden gegen die alte Straße,
die vom Leuchten so müd‘ ward,
dass sie Geräusche spie
wider die Stunden des laut verwildernden Abends.

Und Schatten umschmeicheln die wuchtigen Körper
bewegter Fassaden,
die die Düfte der Nacht
in blaue Herzen bannen.

Doch wer lauscht noch den Stimmen längst
verdämmerter Zeiten,
wen entrückt noch der dampfende Atem
schwarzen Kaffees –
wen denn als uns?

Von Albert Eibl und David Gruber

(entstanden in der Kruger’s American Bar, Wien)

Posted in: Buch der Sinne

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